Von internationalen Ansätzen profitieren
2. August 2018, von Julia Pawlowski
Foto: UHH/Pawlowski
Innovative Lehr-Lernkonzepte, „agile teaching“ und wie man heterogene Studierendengruppen motivieren und fördern kann: Ein Bericht über das 7. Didaktik-Forum 2018 an der Technischen Hochschule Brandenburg
Unterschiedliche Lerntypen, Vorkenntnisse und Motivationen – wenn man von heterogenen
Studierendengruppen spricht, so sind dies nur einige von vielen möglichen Eigenschaften, über die sich
Studierende voneinander unterscheiden können. Diese und weitere Faktoren beeinflussen jedoch die Lehre
sowie das Interesse und den Erfolg von Studierenden in den jeweiligen Fachdisziplinen in einem nicht
unerheblichen Maße.
Mit der steigenden Diversität der Studierenden verändern sich in
evolutionärer Weise die gängigen Lehr- und Lernformate. Auch die Universität Hamburg stellt die Frage
nach guter Lehre: Welche innovativen Kursformate können die Diversität der Studierenden auf
motivierende Weise aufgreifen und produktiv einbeziehen? Diese und weitere spannende Fragen wurden im
Didaktik-Forum 2018 an der Technischen Hochschule Brandenburg mit etwa 30 Teilnehmenden in Vorträgen
beleuchtet und in Diskussionen erörtert. Mit Lehrenden aus u. a. Brüssel (Belgien), Coimbra
(Portugal), Kavala (Griechenland) und der TH Brandenburg war das Publikum international und bot
vielfältige Perspektiven auf das Thema. Drei Vorträge lieferten dabei aus meiner Perspektive
beispielhafte Lösungsstrategien, die bestehende und künftige Projekte der Maßnahme „Kurse“ des
Universitätskollegs bereichern könnten.
Eine der zentralen Herausforderungen:
unterschiedliche Lerntypen
„I expect you all to be independent, innovative, critical thinkers who will do exactly as I say“, so war ironisch und provokativ auf einer der Folien von Charlotta Edlund von der Mälardalen University in Schweden zu lesen. Studierende zu motivieren, sich aktiv einzubringen und Mut für kritische, innovative Auseinandersetzung mit ihrem Fach zu entwickeln, sieht sie als besondere Herausforderungen für Lehrende. Um dies zu erreichen, setzt Frau Edlund bei den unterschiedlichen Lerntypen an, die in heterogenen Studierendengruppen vertreten sind. Ein alternatives Kurskonzept im Bereich International Business Management bietet den Studierenden dabei die Möglichkeit, in sogenannten „Theme Weeks“ unterschiedliche Lehr- und Lernphasen zu durchlaufen und diese in Kleingruppen zu erproben. Was sind die eigenen Stärken und Schwächen? Wie kann sich jede und jeder Einzelne in der Gruppe nach ihren und seinen Stärken und Schwächen einbringen, um zum Gelingen des Projekts beizutragen? Gibt es Nischen oder bis dahin noch unbekannte Präferenzen? Solche und weitere Erkenntnisse können die Studierenden in einer zyklisch aufgebauten Projektarbeit gewinnen und dabei grundlegendes Wissen zu ihrem Fach erwerben. Ein wertvoller Erfahrungsbericht, der auch künftige geplante Workshops des Universitätskollegs, beispielsweise zur Erarbeitung visueller Wissenschaftskommunikation oder zum interdisziplinären Arbeiten, bereichern könnte.
Foto: UHH/Pawlowski
Wann aber müssen sich Dozierende zurücknehmen, um den Studierenden das eigenständige Experiment durchlaufen zu lassen – und ab wann muss eingegriffen werden? Um diesen ständigen Konflikt zu meistern, hat Prof. Dr. Bettina Burger-Menzel von der TH Brandenburg und dem Alumna Senior Fellow*Centre for Global Cooperation Research an der Universität Duisburg ein Lehrformat entwickelt, bei dem vor allem die älteren Semester jüngere bei ihren Projekten coachen und begleiten. „Is there something like agile teaching?“ Mit dieser Frage im Blick wurde für den Bachelor-Kurs Business Administration ein semesterübergreifendes Konzept entwickelt, in dem Studierende im 3. und 4. Semester neu erlerntes Fachwissen in konkreten, praktischen Projekten umsetzen können. Von der Planung, Organisation und Umsetzung eines Spendenlaufs oder der Gründung eines echten Start-ups in Mexiko gegen Armut – in kleinen Gruppen werden solche und ähnliche soziale Projekte von den Studierenden selbstständig realisiert. Agil – das ist unter anderem die in regelmäßige Evaluationsphasen eingeteilte Projektzeit, die es ermöglicht, kurzfristig auf unerwartete Probleme oder Konzeptänderungen eingehen zu können, um das Projekt durch Coaching der 5.-Semester und der Dozentin/des Dozenten über Hürden zu führen und zum Erfolg zu verhelfen.
Auch an diesem Beispiel zeigt sich, dass agiles Arbeiten in Form regelmäßiger Reflexion und das kurzfristige Reagieren im Projektverlauf zum Erfolg eines Projektes beitragen und den Studierenden zu besonderer Motivation und neuen Lösungsstrategien verhelfen können. Und was, wenn ein Projekt trotzdem scheitert? Selbst solche Erfahrungen können als wertvoller Input in den bereits gesammelten Pool an Erfahrungen einfließen, so Prof. Burger-Menzel. Die älteren Semester können aus diesem Pool während des Coachings der jüngeren Semester schöpfen, um Anstöße für neue Strategien zu geben und die künftige Generation für neue Herausforderungen zu wappnen.
Künstliche Intelligenz und Big Data als künftige Lehrassistenten?
Eine völlig andere Perspektive auf das Thema eröffnete Prof. Azucena Pérez Alonso von der Privatuniversität Isabel I in Spanien: Müssen Lehrende die Studierenden überhaupt noch motivieren? Ist es nicht eher so, dass künftige Generationen zunehmend im virtuellen Raum studieren werden und ohnehin ihr Studium weitestgehend autonom, gemäß den eigenen Rhythmen, Lerntypen und Vorkenntnissen gestalten werden? Motivation sieht Prof. Pérez Alonso als eine vorausgesetzte Basis, die Studierende bereits mitbringen müssen, um solche Lehrmodelle meistern zu können. Mithilfe künstlicher Intelligenz und Big Data, so Prof. Pérez Alonso, könne Studierenden dabei geholfen werden, ihre individuellen Präferenzen, ihr Lernverhalten und ihre Wissenslücken ausfindig zu machen und zu einem spezifisch für sie angepassten Lehrplan zu entwickeln. In Zeiten der Digitalisierung läge die herausfordernde Arbeit der Dozierenden bei dieser Methode hauptsächlich in der Erstellung qualitativ hochwertigen Contents für solche und vergleichbare digitalen Lehrplattformen.
Resümee und Ausblick
Die Lehre reduziert auf das reine Erstellen digitaler Lehr- und Lernmaterialien? Eine solche Theorie
wurde im Didaktik-Forum von allen Beteiligten lebhaft diskutiert. Doch steht meines Erachtens außer
Frage, dass die künftige Lehre im Zuge der Digitalisierung vor dem Anspruch steht, zertifizierte und
qualitativ hochwertige Angebote bereitzustellen. Zumindest in kombinierten Lehr- und Lernformaten, wie
Blended Learning oder Flipped Classroom, werden frei zugängliche, räumlich und zeitlich
uneingeschränkt nutzbare Lehrmaterialien, Nachschlagewerke und Online-Tutorials für die Hochschullehre
immer wichtiger. Im Universitätskolleg, im Regionalen Rechenzentrum sowie in vielen weiteren
Einrichtungen und Arbeitsgruppen der Universität Hamburg wird an solchen digitalen Angeboten bereits
täglich gearbeitet. So stehen im Bereich „Kurse RRZ“ des Universitätskollegs bereits Online-Manuals zum Thema „MS Office Word für Studierende“ zur Verfügung und
werden stetig weiterentwickelt.
Hinsichtlich konkurrierender Angebote im World Wide Web
stehen Hochschulen – so auch die Universität Hamburg – aus meiner Sicht vor der Hausforderung, eigene
Qualitäts- und Zertifizierungskriterien für hochwertige digitale Angebote zu entwickeln und sichtbarer
zu machen. Ein stärkeres Bewusstsein von Lehrenden zu fördern, sich künftig neben der Präsenzlehre
auch als Content-Erstellerinnen und -Ersteller derartiger Lehr- und Lernmaterialien zu verstehen, war
daher ein interessanter Anstoß, der auch lange nach der Tagung in Brandenburg diskutiert werden
dürfte. Diese Förderung muss aber von einer Unterstützung durch entsprechende Schulungen und die
Gewährung zeitlicher Freiräume begleitet werden, um zu einem langfristigen Erfolg zu
führen.
Weitere Informationen zum 7. Didaktik-Forum 2018 der TH Brandenburg: