#2 Schreib jetzt ... zu Hause: Im Schreiben bleiben – Rohtexte schreiben mit Mut zur Lücke
14. April 2020, von Fridrun Freise
Foto: UHH/UK
Wunderbar, die Worte fließen. Jetzt schnell ein Beleg – Mist, Buch nicht ausgeliehen, und die Stabi hat wegen der Corona-Krise geschlossen. War es das jetzt? Nein, denn beim Rohtext-Schreiben kann ich auch Mut zur Lücke haben und weitermachen. Das geht so:
Rohtext mit Platzhaltern schreiben
Schreiben Sie einfach jetzt den vorläufigen Text, den Sie schon schreiben können: einen Rohtext. Solche Rohtexte sind erste Versionen, in denen Sie all Ihre guten Ideen schnell und im Gedankenfluss zu Papier bringen können, ohne dass Sie Ihren Text schon gleich perfekt schreiben müssen. Sie verfassen einfach eine erste Version, ohne sich zu zensieren. Sie wissen ja: Sie schreiben einen Rohtext – und den können und sollen Sie noch überarbeiten. Der Vorteil eines Rohtextes: Sie haben Ihre Gedanken schon festgehalten und können sie schriftlich weiterentwickeln.
Und jetzt kommt der Trick: Notieren Sie sich auch gleich all das am Text, was Sie später zum Überarbeiten brauchen: Dass Sie für diese Fußnote noch Literatur in der Stabi recherchieren und ausleihen möchten, dass Ihnen jene Formulierung nicht gefällt, dass Sie dort noch eine Definition prüfen wollen usw.
Ulrike Scheuermann nennt diese Methode in ihrer Schreibfitness-Mappe Partitur-Schreiben, weil man dabei wie in einer musikalischen Partitur die verschiedenen Stimmen, die man im Kopf hat, auf dem Papier notiert: die Melodiestimme, also den Hauptgedankengang des Textes, eine Begleitstimme, die anmahnt, die Formulierung noch mal zu überdenken, eine Nebenstimme, die wie oben das Recherchieren weiterer Literatur anmahnt, usw.
Liste mit Suchkürzeln für Schreibgedanken anlegen
Damit Sie die Lücken aus der Rohtextphase später schnell füllen können, markieren Sie einfach Ihre Gedankenlücken und Nebenstimmen-Schreibgedanken mit festgelegten Suchkürzeln, die Sie später recherchieren können. So ist nichts verloren. Stocken Sie im Schreibfluss, notieren Sie sich gleich das Kürzel und ggf. das „Warum?“ und schreiben weiter.
Legen Sie sich eine Liste mit Sonderzeichen an, die Sie als Platzhalter und Suchkürzel für genau die Anlässe verwenden, bei denen Sie beim Schreiben immer Grübeln: z. B. fehlende Wörter, Inhalt unklar, Recherche nötig, Literaturbeleg fehlt, Formulierungsvarianten usw. Wählen Sie Kürzel, die sich mit der Suchfunktion eindeutig recherchieren lassen. Ein Fragezeichen kann auch am Satzende stehen, zwei Fragezeichen haben Sie als Platzhalter definiert.
Beispiele für Platzhalter:
- Hier will ich noch recherchieren: … oder eigenes Wortkürzel, z.B. [Lit.??] für „Literatur“
- Formulierungsvarianten: Varianten mit / getrennt aufschreiben
- Fehlende Worte oder Formulierungen: # oder eigenes Wortkürzel, z.B. [ERG??] für „Ergänzen“
- usw.
Fangen Sie an, zu grübeln, sich selbst zu kritisieren oder zu loben, notieren Sie diese Kommentare separat:
- handschriftlich auf einem Extrazettel,
- farbig unterlegt und in eckigen Klammern im Text,
- in der Kommentarfunktion von Word.
Statt sich zu zensieren und festzubeißen, können Sie diese Kommentare bei der Überarbeitung Ihres ersten Rohtextes sinnvoll nutzen.
So bleiben Sie auch jetzt im Schreiben und bringen Ihre Arbeit so weit wie möglich voran. Und wenn die Bibliothek wieder öffnet, können Sie in Ruhe Ihre Gedanken in der Literatur überprüfen.
Literaturtipp: Ulrike Scheuermann: Die Schreibfitness-Mappe. 60 Checklisten, Beispiele und Übungen für alle, die beruflich schreiben. Wien: Linde 2011, S. 104f.
CC BY-NC-SA