Mehr als nur Klausuren schreiben
16. Mai 2019, von Eric Recke und Anna Katharina Sandhof
Foto: RUB/Carolin Pfänder
Die Ruhr-Universität Bochum lud am 8. Mai zu einem Aktionstag des QPL-Projektes „inSTUDIESplus“ ein. Dort sollte den Studierenden ermöglicht werden, eigene studentische Initiativprojekte zur Verbesserung von Studium und Lehre zu starten. Der Projektbereich „Hochschullehre und studentische Partizipation“ des Universitätskollegs war vor Ort.
Das Audimax: eine gigantische Betonmuschel. Als anlegende Schiffe drumherum stilisierte
Seminargebäude, laut Architekt: „Ein Hafen im Meer des Wissens“. Die als Reform-Uni geltende
Ruhr-Universität Bochum (RUB) hat am 8. Mai zu einem Aktionstag des QPL-Projektes „inSTUDIESplus“
eingeladen. Dort sollte den RUB-Studierenden ermöglicht werden, eigene studentische Initiativprojekte
zur Verbesserung von Studium und Lehre zu starten. Wir konnten als Projektbereich „Hochschullehre und
studentische Partizipation“ daran teilnehmen und waren begeistert von den vielen klugen Ideen,
Studierende partizipativ an der Lehrgestaltung zu beteiligen.
Zum Hintergrund: Unter dem
Titel „Initiativ Handeln“ fördert ein Team unter der Leitung von Dr. Andrea Koch-Thiele jährlich eine
Reihe ausgesuchter studentischer Projekte. Diese müssen sich um die Förderung bewerben und werden nach
einem mehrstufigen Verfahren ausgesucht – in jedem Fall erhalten aber alle eingereichten Projekte eine
ausführliche Rückmeldung zu ihren Ideen. So wurden bisher 45 Projekte durch Beratung, ein
Projektbudget und Hilfskraftstellen gefördert. Ziel dabei ist die „Weiterentwicklung von Lehre und
Beratung an der RUB mit dem Ziel, Studierende bei der Ausbildung eines individuellen Studienprofils zu
unterstützen.“ Der Aktionstag am 8. Mai war dazu gedacht, dass die in der letzten Antragsrunde
geförderten Projekte sich vorstellen, um Studierenden der nächsten Antragsrunde ihre Erfahrungen zu
vermitteln.
Die acht vorgestellten studentischen Projekten waren:
- „Formula Student“ – ein anwendungsorientiertes Seminar mit dem Ziel, im Wettbewerb zu anderen Universitäten aus der ganzen Welt, ein Rennauto zu entwickeln. Dieses wird von den Studierenden vollständig selbst organisiert und nur die Abschlussbewertung findet durch einen Professor statt
- „Hermaion 2.0“ – eine Ringvorlesung, bei der Studierende ihre Forschungsarbeiten vorstellen und Einblick in ihre Arbeitsweise gewähren. Dabei werden die einzelnen Lehrveranstaltungen durch Studierende vorbereitet und durchgeführt. Auf die Rolle als Lehrende werden die Studierenden durch ein Workshop- und Coaching-Angebot vorbereitet
- „Stutor“ – eine Online-Plattform zur Vermittlung von Nachhilfeunterricht und Tutorien
- „Digital Marketing in Practice“ – ein praxisorientiertes Modul zum Thema Social-Media-Marketing, in welchem Problemstellungen aus Unternehmen durch studentische Gruppen bearbeitet werden
- „Nachhaltiges Wohnen am Beispiel eines Tiny House“ – eine studentisch organisierte
Veran-
staltungsreihe zum Thema Bauen und Wohnen auf kleinem Raum, unter Einbezug externer Referierender - „Old Images, Modern Stages. Heldenepen on Stage“ – ein Projekt, um alte Sprachen durch ihre Anwendung besser erlernen zu können. Ziel soll sein, Theaterstücke in der jeweiligen Sprache aufzuführen
- „Die Sprache der Dinge“ – ein anwendungsorientiertes Format, in dem Studierende anderen Studierenden vermitteln, wie sie ihr Spezialwissen, insbesondere anhand von vorgeführten Objekten, verständlich anderen Menschen weitergeben können
- „Projekt Literaturagentur Ungebunden“ – ein studentisch geleitetes Seminar, in dem die Studierenden ein Jahr eine Literaturagentur simulieren: von der Marktanalyse bis zur Einwerbung von belletristischen Manuskripten, mit dem Ziel diese schlussendlich bei Verlagen einzureichen
Im Anschluss hatten wir die Gelegenheit mit einigen der Projektleitenden länger zu sprechen und
erhielten durchweg die Rückmeldung, dass die Förderung studentischer Partizipation in der Lehre allen
ein Anliegen ist. Der Ansatz, der dafür in den meisten Fällen von den Projekten gewählt wurde, lässt
sich wahrscheinlich am ehesten als möglichst weitreichende Übertragung von Lehrentscheidungen von
Lehrenden auf Studierende kennzeichnen.
Die dahinterstehende These: Eigenständig
angeeignetes Gelerntes wird motivierter verinnerlicht und ist insbesondere durch praktische Anwendung
am ehesten auch zu einem späteren Zeitpunkt wieder anwendbar. Inwieweit dabei Studierende auch
überfordert werden können und sich die Lernerleichterung in ihr Gegenteil verkehrt, wird in den
meisten Projekten reflektiert und die Antworten darauf sind unterschiedlich: Bei „Hermaion 2.0“ prüft
beispielsweise ein professorales Gremium die Erfüllung der Kriterien für einen erfolgreichen
Seminarabschluss; beim Projekt „Literaturagentur Ungebunden“ steht eine Professorin für Rückfragen und
Hilfestellungen im Hintergrund bereit; beim „Nachhaltigen Wohnen am Beispiel Tiny Houses“ hingegen
wird sogar die Vorbereitung der Prüfung weitestgehend in die Hände Studierender gelegt.
Durchweg zeigte sich, dass Studierende aufgrund ihrer mehrheitlich vorhandenen Ungeübtheit mit eigenständig didaktisch gestalteten Settings sowie aufgrund der gesetzlich vorgeschriebenen Qualitätssicherung von Lehre und Studium in allen Fällen Unterstützung bedurften, um an der Hochschullehre zu partizipieren. Wenn dies aber hinreichend gegeben war, nahmen die Studierenden, die wir in Bochum kennengelernt haben, mit Freude und Dynamik die Herausforderung an, Lehre mitzugestalten, bis hin zur eigenständigen Durchführung – für uns und unsere Arbeit am Universitätskolleg eine bestärkende Erfahrung, auch an der Universität Hamburg noch mehr nach den Bedingungen und den erforderlichen Erfahrungen für gelingende Partizipation von Studierenden zu fragen.
Die zweite Hälfte der Veranstaltung war in eine Podiumsdiskussion und drei kleinere Diskussionsrunden aufgeteilt. In der Podiumsdiskussion stellte Dr. Andrea Koch-Thiele den Anwesenden Fragen zu ihren Erlebnissen bei der Konzeption und der Vorbereitung ihrer Projekte. Manche der Projektleitenden berichteten von großem Respekt vor den formalen Anforderungen bei der Implementierung ihres Projektes in das Curriculum – die sich aber bei allen als lösbar herausstellten. Andere betonten die befreiende und Hierarchie abbauende Qualität des Rollenwechsels der Studierenden, die in die Rolle der Lehrenden schlüpfen konnten und einerseits die ihnen relevant erscheinenden Themen wählen und andererseits ihre Didaktik-Entscheidungen und die Credit-Point-Vergabekriterien transparenter gestalten konnten. Die Äußerung einer Studentin war für uns besonders einprägsam: Ihr Wunsch sei es: „Weg von diesem langweiligen Klausurenschreiben.“ Worauf Dr. Andrea Koch-Thiele antwortete: „Das wollen wir, glaube ich, alle hier“ und dafür das zustimmende Nicken der Anwesenden erntete.
In der Diskussionsrunde diskutierten wir zum Thema „Veranstaltungen selber planen“ mit einer
interessierten Lehramtsstudentin ihre Projektidee eines tourenden Schulbusses. Mit diesem sollen
Lehramtsstudierende zu mit Preisen ausgezeichneten Schulen fahren, sodass sie dort mit den
Schulmitarbeitenden über ihre Arbeit sprechen und diese Praxisimpulse in die Verbesserung des
Lehramts-studiums fließen lassen können. Die nächste bundesweite studentische Konferenz am 26.
September in Kiel zum Thema „Forschung vermitteln, Lehre voranbringen, Gesellschaft gestalten“, zu der
auch Kolleginnen von inSTUDIESplus anreisen werden, haben wir fest im Blick und freuen uns auf ein
Wiedersehen.
-> Zur Website inSTUDIES der Ruhr-Universität Bochum