#15 Schreib jetzt ... zu Hause: Körper, Kopf, Papier – wie Bewegung beim Schreiben hilft
13. Juli 2020, von Lukas Musumeci
Foto: Unsplash/Thought catalog
Ein Blick auf den Schrittzähler des Smartphones offenbart, was wir schon vermuten: In den vergangenen Wochen haben wir uns weniger bewegt. Diese Erkenntnis sollte uns Schreibende aufschrecken, weil Bewegungsmangel unsere Kreativität beeinträchtigen kann.
Das Phänomen, dass wir uns weniger bewegen, betrifft nicht nur notorische Stubenhocker, sondern auch sportliche Menschen. Es fehlt uns die Alltagsbewegung, insbesondere wenn der Arbeitsweg nur noch aus zehn Schritten vom Schlafzimmer zum Küchentisch besteht. Etwas Yoga nach dem Aufstehen oder vor der Arbeit spazieren zu gehen hilft uns nicht nur, durch Rituale den Tag zu strukturieren und unsere Motivation zu steigern, sondern fördert direkt die Fähigkeit zu denken und damit zu schreiben.
Bewegung für mehr Ideenreichtum
Auf dem Weg vom ersten Gedanken zum fertigen Text verbinden und überlagern sich vielfältige gedankliche Prozesse. Schreiben involviert einerseits sogenanntes konvergentes Denken: logische, stringente, lineare, ordnende Prozesse – etwa um unsere Gedanken nachvollziehbar zu strukturieren. Andererseits kommen wir nicht ohne divergentes Denken aus, das uns eine unsystematische, experimentierfreudige Annäherung an eine Frage ermöglicht und Bedingung dafür ist, neue Ideen zu entwickeln. Verschiedene Studien konnten einen positiven Effekt von Bewegung auf das divergente Denken zeigen: Es fällt Menschen leichter, Ideen zu entwickeln, wenn sie sich vorher bewegt haben. Diese Studien bezogen sich auf Bewegung im aeroben Bereich, Bewegung also, die unsere Atmung beschleunigt, ohne dass wir ins Keuchen kommen. Aus diesen Befunden lässt sich die Empfehlung ableiten, beispielsweise vor einem Brainstorming erst einmal eine halbe Stunde zu joggen.
Diese Empfehlung mag zwar Joggerinnen und Jogger erfreuen, sie zu befolgen ist aber kaum für uns alle vor jeder kreativen Aufgabe möglich. Marily Oppezzo und Daniel Schwartz von der Stanford Graduate School of Education haben sich deshalb gefragt, ob auch weniger intensive Bewegung wie Spazieren die Kreativität steigert und ob dieser Effekt schon während des Bewegens einsetzt. In einer Serie von vier Experimenten ließen sie Probandinnen und Probanden auf dem Laufband oder draußen spazierend und sitzend über kreative Verwendungen von Alltagsgegenständen nachdenken. (Als kreativ gilt dabei, was sowohl neu als auch sinnvoll ist.) Dabei zeigte sich, dass spazierende Menschen kreativer sind als sitzende und dass dieser Effekt über die Bewegung hinaus anhält. Wer also erst spaziert und dann im Sitzen Ideen entwickelt, ist kreativer, als wer nur sitzt. Einen Kreativitätsbonus können andere Studien auch für Bewegungen auf der Mikroebene feststellen. Insbesondere fördert Schreiben mit Stift und Papier den Ideenfluss.
Empfehlungen
Dies alles zeigt: Schreiben ist gerade keine rein geistige Tätigkeit, die wir ausschließlich still und an unserem Schreibtisch sitzend ausführen. Ein ganzheitlicher Blick auf das Schreiben erlaubt uns, nicht nur seine räumlichen, sozialen und kommunikativen Dimensionen zu erkennen, sondern legt offen, dass gedankliche und körperliche Aktivität miteinander verknüpft sind. Um Ihre Gedanken und Ihr Schreiben in Schwung zu bringen, können folgende Tipps zielführend sein: Gehen Sie, um Gedanken zu entwickeln, spazieren, bei Hamburger Schietwetter oder Zeitmangel gern auch in der eigenen Wohnung. Gedanken sind flüchtig, zeichnen Sie sie deshalb schnellstmöglich auf. Über die Sprachaufnahmefunktion Ihres Smartphones können Sie einen kreativen Dialog mit sich selbst führen und direkt digital festhalten. Dabei besteht auch weniger die Gefahr der Selbstzensur als bei schriftlichen Notizen. Setzen Sie Kreativtechniken wie Freewriting oder Clustering wenn möglich handschriftlich um. Verbringen Sie Ihre Pausen aktiv, nicht nur um Schulter- und Nackenverspannung vorzubeugen. Bewegung bringt Sie vorwärts – auch beim Schreiben.
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