#5 Schreib jetzt ... zu Hause: Gedanken organisieren und entwickeln mit dem Schreibjournal
4. Mai 2020, von Fridrun Freise
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Gerade fehlt Ihnen die wissenschaftliche Diskussion mit anderen und Sie kommen nicht ins Schreiben? Dann arbeiten Sie mit dem, was Sie haben: Schreiben Sie über Ihre Arbeitssituation, notieren Sie Ihre Gedanken. Kurz: Führen Sie ein Schreibjournal.
Ideen-Tagebuch zur Gedankenentwicklung und Selbstorganisation
Ein Schreibjournal im wissenschaftlichen Kontext kann man sich als eine Mischung zwischen Tagebuch und Arbeitsnotizen vorstellen. Wie im Tagebuch sammeln Sie Gedanken, Ideen, Notizen an einem Ort. Sie schreiben regelmäßig – vielleicht sogar täglich – in Ihrer eigenen Sprache, ohne sich um besondere „Wissenschaftlichkeit“ bemühen zu müssen. Anders als beim privaten Tagebuch geht es inhaltlich aber um Ihre Hausarbeit, Ihr Seminar oder Forschungsliteratur, die Sie gelesen haben. Dabei sammeln Sie, was Sie gerade beschäftigt: Ideen, ein Zitat, Gedanken zum eigenen Schreiben. Sie müssen sich dabei nicht zensieren. Notieren Sie einfach den derzeitigen Stand Ihres Denkens, gern wie im Tagebuch mit Datum. Das Schöne ist: Nach ein paar Einträgen können und sollen Sie immer wieder zurückblättern, Gedanken vernetzen, revidieren oder weiterdenken.
Denkwerkstatt und Experimentierfeld
Im Schreibjournal notieren Sie also sowohl Ihre Gedanken als auch den Denkprozess. Nach und nach setzt sich aus den Bruchstücken etwas Neues zusammen. Durch die Kombination von Produktion und Reflexion hilft das Schreibjournal, sich auch bei Problemsituationen im eigenen Arbeitsprozess wieder zu organisieren. Das klingt trocken, ist aber ertragreich und vielfältig. Schreibdidaktiker machen das gern in Metaphern deutlich. Für Gerd Bräuer ist das Journal z. B. „Werkstatt“ und „Experimentierfeld“, für Toby Fulwiler und Wolfgang Schmale außerdem „Ort, an dem die Schreibenden beim Schreiben Spaß haben können“. Immer geht es darum, in das Schreiben einzutauchen, es für sich zu nutzen und zu reflektieren.
Schreib-Denk-Themen fürs Journal
Ihr Journal können Sie als offenes Ideenbuch führen, aus dem Sie bei Bedarf schöpfen, oder Sie legen es für ein bestimmtes Arbeitsprojekt oder Seminar an – sozusagen als Forschungslogbuch.
Schreiben können Sie über alles, was Sie beschäftigt, z. B.:
Fragen, die sich Ihnen stellen,
- Probleme und Lösungsversuche,
- Informationen aller Art,
- inspirierende Zitate, Literaturnotizen,
- Erkenntnisprozesse wie z. B. Begriffsklärungen,
- Querverbindungen zwischen Gedanken,
- Zweifel,
- revidierte Gedanken,
- Verabredungen mit Betreuerinnen und Betreuern,
- Beobachtungen zu Ihrem wissenschaftlichen Gegenstand, Ihrem Schreiben.
Oder schreiben Sie:
- kleine Probetexte: Wie sieht ein Gedanke (unterschiedlich) formuliert aus?
- Reflexionen über das schon Geschriebene: Was habe ich eigentlich warum gemacht? Wie kann/will ich es jetzt machen?
Probieren Sie aus, was Sie für Ihr Schreiben brauchen.
Das eigene Journal anlegen
Natürlich lassen sich Journaleinträge in einer Computerdatei abspeichern. Wer auch gleich das Medium wechseln möchte, um einen anderen Zugang zum Schreiben zu haben, wählt Stift und Papier im zum Vorhaben passenden Format – z. B. ein A4-Ringbuch, um Materialien einheften und Zettel umordnen zu können, oder eine handliche A5-Kladde, die man aufs Sofa mitnehmen kann und bei der man einen Kommentarrand abknickt, damit man später Gedanken ergänzen kann, wenn man zurückblättert. Im Arbeitsprozess kann man sich ein (farbiges) Ideenregister anlegen oder wichtige Stellen mit Post-its markieren. Strukturierte legen gleich zu Anfang Notizrubriken an, z. B. für Ideen/Fragen, Lektüre, Schreibversuche.
Am Ball bleiben
Jetzt müssen Sie nur noch anfangen und regelmäßig am Ball bleiben. Was zunächst als zusätzlicher Zeitaufwand erscheint, entpuppt sich meist als Zeitersparnis, Selbstorganisation, Gedankenklärung, und die Motivation fürs Schreiben steigt – erst recht, wenn man zwei Wochen später sehen kann, was sich aus einer zufälligen Idee entwickelt hat.
Literatur:
Gerd Bräuer: Schreiben als reflexive Praxis: Tagebuch, Arbeitsjournal, Portfolio. Freiburg im Breisgau: Fillibach 2000, Zitate: S. 21.
Toby Fulwiler; Wolfgang Schmale: Führen eines Journals. In: Wolfgang Schmale (Hg.): Schreib-Guide Geschichte. Schritt für Schritt wissenschaftliches Arbeiten lernen. Wien; Köln; Weimar: Böhlau 2006 (utb 2854), S. 37-57, Zitate: S. 42.
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