Selbsteinschätzung: Wertvolle Hilfe bei der Studienvorbereitung
8. Mai 2017, von Redaktion Universitätskolleg
Foto: UHH/Gunner
Um Studieninteressierten und Studierenden die Wahl des richtigen Studienfachs zu erleichtern, entwickelt die Maßnahme Selbsteinschätzung des Universitätskollegs Online-Self-Assessments, mit deren Hilfe die persönlichen Erwartungen an das Wunschstudienfach sowie die dafür vorhandenen Kenntnisse überprüft werden können.
Sind meine Erwartungen an mein Wunschstudium realistisch? Reichen meine Kenntnisse aus, um im Uni-Alltag bestehen zu können? Fragen wie diese stellen sich viele Studieninteressierte und Studierende. Da von ihrer Beantwortung in hohem Maße abhängt, ob es zu einer Passgenauigkeit zwischen Studierenden und Studienfach und in der Folge zu einem erfolgreich absolvierten Studium kommt, bietet das Universitätskolleg die Maßnahme Selbsteinschätzung an. Basierend auf Erfahrungen aus der ersten Förderphase des Universitätskollegs entwickelt Toni Gunner – zurzeit als Einzelkämpferin im Entwicklungsteam und von ihren Kolleginnen und Kollegen daher liebevoll als Wonder Woman – bezeichnet, ein Angebot, das vielen Studieninteressierten und Studierenden eine wertvolle Hilfestellung bietet. Wie sie dabei vorgeht, wie sich die Zusammenarbeit mit den Fakultäten gestaltet und wie die Arbeit mit dem Rahmenwerk Scrum aussieht, davon hat sie der Redaktion des Universitätskollegs in einem Gespräch berichtet.
Was umfasst das Angebot der Selbsteinschätzung, und an wen genau richtet es sich?
Das Ziel dieser Maßnahme ist die Bereitstellung eines einheitlichen Tool-Baukastens für Online-Selbsteinschätzungen zur Verwendung in den Fächern. Auf Basis des etablierten Content-Management-Systems WordPress können sowohl Self-Assessments zur Studienfachwahl als auch studienbegleitende Selbsteinschätzungen zur Überprüfung des eigenen Wissens oder zum Kompetenzerwerb gestaltet werden. Wir stellen dabei die technische Basis mit den fachspezifischen Anforderungen bereit. Unser Angebot selbst richtet sich vor allem an Mitarbeitende aus den Fächern und Lehrende, die entwickelten Selbsteinschätzungsformate richten sich je nach Produkt an Studieninteressierte oder Studierende.
Welches Anliegen liegt dieser Maßnahme aus Perspektive der Hochschulen zugrunde?
Studienvorbereitende Online-Self-Assessments (OSA) können inhaltlich unterschiedlich gestaltet werden und zum Beispiel dazu dienen, einen realistischen Eindruck des Studienganges zu bekommen oder durch reflektierende Fragen einen Denkanstoß zur Studienwahl zu geben. Das Anliegen besteht hier vor allem in der Passung des potenziell Studierenden mit dem gewählten Fach, sodass ein erfolgreiches Studium angestrebt werden kann. Während des Studiums tragen Übungsklausuren oder Kompetenzchecks zum erfolgreichen Studieren bei.
Hervorgegangen ist die Maßnahme Selbsteinschätzung aus dem Handlungsfeld „Eigenes Wissen einschätzen“ der ersten „Qualitätspakt Lehre“-Förderphase von 2012 bis 2016. Dieses bestand u. a. aus dem Teilprojekt MIN-Check, weitere Self-Assessments in diesem Handlungsfeld waren der Studienkompass Psychologie und das OSA der Rechtswissenschaft. Was war beispielsweise Gegenstand des Teilprojekts MIN-Check, und worauf liegt der Schwerpunkt nun?
Das „MIN-Check“ aus der ersten Förderphase bedient die drei Fachbereiche Informatik, Biologie und Physik. Bestandteile dieser Fachteile sind die vier Bausteine „Quiz“, „Erwartungscheck“, „Video-Interviews“ und „Nach dem Studium“. Im Unterschied zur aktuellen Maßnahme war damals die technische Basis frei wählbar und die Medienproduktion war im Projekt verankert. Die Inhalte kamen und kommen von den Fachexperten aus den Fachbereichen.
Der Schwerpunkt der Maßnahme Selbsteinschätzung liegt (langfristig) auf der (einheitlich) technischen Bereitstellung für alle Fakultäten. Diese können sich als Stakeholder in die Entwicklung einbringen. Die Medienproduktion selbst ist nicht mehr Bestandteil der Maßnahme.
Gibt es Vorbilder aus dem Hochschulkontext, die in die Konzeption eingegangen sind?
Die erfolgreichen Online-Self-Assessments aus der ersten Förderphase werden als Basis genommen. Mit den Erfahrungen, neuen Inspirationen anderer OSAs und auch den Ideen und Anforderungen der Stakeholder entstehen neue Konzepte, die von Auftrag zu Auftrag variieren können.
In welchen Einzelschritten erfolgt die Entwicklung einer Selbsteinschätzung, welche technischen Überlegungen spielen dabei eine Rolle, und wie gestaltet sich die kooperative Zusammenarbeit mit den Fakultäten?
Zunächst äußert der Stakeholder sein Begehren. Dabei sollten Konzept, Dimension und im besten Fall auch schon potenzielle Inhalte vorhanden sein. Es wird geprüft, ob das Ziel mit den bereits bestehenden technischen Mitteln erreicht werden kann oder ob weitere Entwicklungen nötig sind, und dann ein Prototyp erstellt. Alle vier Wochen werden in einem Meeting die Fortschritte des entwickelten Prototyps vorgestellt und die nächsten Wünsche und Anforderungen aufgenommen. Nachdem das Produkt auch vom Stakeholder als „fertig“ deklariert wurde, ist es abgeschlossen und wird im jeweiligen Fach verwendet und weiterentwickelt.
Woran orientiert sich das jeweilige didaktische Konzept, und wie lässt sich verhindern, dass die Ergebnisse entmutigend wirken, die ein Studieninteressierter im Anschluss an seine Teilnahme erhält?
Die Didaktik liegt genau genommen nicht in unserer Hand. Aber wir versuchen Empfehlungen aus den Erfahrungen der ersten Förderphase mitzugeben. Es ist nicht unser Ziel, dass Studieninteressierte abgeschreckt oder Studierende entmutigt werden. Sie sollen aber auch kein unrealistisches Bild vom Studium und den Anforderungen bekommen. Falls Ergebnisse weniger gut ausfallen, sollen Möglichkeiten zu weiteren Beratungen oder Informationsquellen angeboten werden. Letztlich sind es SELBSTeinschätzungen und keine Fremdauswahl-Werkzeuge.
Bietet das Universitätskolleg dieses Angebot einzelnen Fakultäten gezielt an, oder kommen Interessierte auch von sich aus auf das Universitätskolleg zu?
Das Angebot der Maßnahme wird über das Universitätskolleg uniweit durch seine Publikationen verbreitet, sodass Interessierte jeder Fakultät sich jederzeit einbringen können (und sollen). Auch geht die Maßnahme selbst auf potenzielle Stakeholder zu und lädt diese zu den Reviews ein.
An welchem Projekt wird zurzeit gearbeitet, und worin liegen die spezifischen Herausforderungen dabei?
Aktuell werden zwei Prototypen entwickelt: Das erste OSA für den Bachelorstudiengang Betriebswirtschaft ist ein (technisch) inkrementell mit den Anforderungen wachsendes Produkt, welches sich an Studieninteressierte richtet. Die Zugabe der Inhalte erfolgt sukzessive und ist noch nicht abgeschlossen. Es soll zum nächsten Sommersemester einsatzfähig und obligatorisch zur Studienbewerbung sein. Das zweite OSA (MIN-Check) ist die Portierung des „MIN-Check“ aus der ersten UK-Förderphase in die neue Struktur und technische Basis. Alle Inhalte sind bereits vorhanden. Die Struktur wird in WordPress abgebildet, und alle Inhalte werden nach und nach in das neue OSA migriert.
Kann ein derartiger Toolbaukasten in allen Fächern angewandt werden?
Der Toolbaukasten soll technisch so gestaltet werden, dass er Anforderungen aus allen Fächern gerecht werden kann. Sämtliche Medienformate (Foto, Video, Animationen, Stream) und Fragetypen sind jetzt schon abbildbar. Lediglich die Formeleingabe ist ein spezieller Fall, an dem noch gezielt entwickelt werden muss.
Zum Modellversuch des Universitätskollegs gehört, dass einzelne Teams auch neue Arbeitsformen erproben, indem sie zum Beispiel mit Scrum arbeiten, einem Rahmenwerk, das ursprünglich aus der IT-Branche stammt. Auch die Maßnahme Selbsteinschätzung ist ein Scrum-Team. Wie sieht das konkret in der Praxis aus?
Unsere agile Arbeitsweise ist davon insofern betroffen, als dass sie erst mal grundlegend gewissen Scrum-Events und einer speziellen Prozessdokumentation unterliegt. Übergreifend gibt es eine Produktvision, die über dem ganzen Projekt und seiner Laufzeit schwebt. Die Arbeitszyklen sind in vierwöchige Sprints unterteilt, die jeweils mit einem ausgiebigen Planning beginnen und mit einem Review und einer Retrospektive enden; diese Events organisiert der Scrum Master. Zum Planning bringt der Product Owner die Ideen und Anregungen der Stakeholder als User-Stories mit und priorisiert diese. Dazu gestalten wir als Entwicklungsteam die einzelnen Aufgaben bzw. Arbeitsschritte, die im Sprint nötig sind, um die User-Stories zu erfüllen. Diese Aufgaben werden sowohl physisch als auch digital auf einem Scrum-Board abgebildet und in den täglichen kurzen Meetings (Daily Scrum) diskutiert. Die (Teil-)Ergebnisse und Arbeitsschritte werden digital dokumentiert. Zum Ende des Sprints findet das Review statt, zu welchem die Stakeholder eingeladen sind. Die Ergebnisse des Sprints werden vom Entwicklungsteam präsentiert und weitere Ideen und Wünsche der Stakeholder aufgenommen. Die Retrospektive dient dem Scrum-Team, um sich über die Arbeit und das Geschehene während des Sprints auszutauschen und zu verbessern. Und dann geht es wieder mit dem Planning weiter. Da eine Art Software-Entwicklung stattfindet und greifbare Produkte produziert werden, funktioniert dieses aus der IT bekannte Modell sehr gut in dieser Maßnahme.
Welche Rückmeldungen gibt es bislang auf das Angebot der Selbsteinschätzung?
Die Stakeholder sind bisher sehr zufrieden mit der Entwicklung der jeweiligen Prototypen. Weiter gibt es eine steigende Nachfrage zur Umsetzung weiterer Online-Self-Assessments aus verschiedenen Fakultäten und auch zentralen Bereichen. Diese werden aufgenommen, kommuniziert und in die Planung mit aufgenommen.
Wie lässt sich der Erfolg der Maßnahme messen, quantitativ wie qualitativ?
Hier müsste erst mal definiert werden, was „Erfolg“ bedeutet. Bedeutet es, den Toolbaukasten technisch fertig zur Verfügung stellen zu können, dass jederzeit ein Interessent seine Inhalte einpflegen und selbst ein OSA gestalten kann? Dann ist Erfolg die „Definition of Done“. Wenn mit Erfolg gemeint ist, dass die Studienabbruchquote (durch ein bewusster gewähltes Studienfach) sinkt und Zufriedenheit und Erfolg der Studierenden durch ergänzende Online-Übungen steigt, dann kann dies quantitativ durch Evaluationen eruiert werden. Qualitativ ist dies aber schwierig, weil dazu viele Erhebungen von Daten sowohl vor dem Absolvieren der OSAs als auch nach dem Abbrechen bzw. dem erfolgreichen Abschluss des Studiums nötig sind.