Visuelle Kompetenz für gelungene Wissenschaftskommunikation
7. Dezember 2018, von Julia Pawlowski
Foto: UHH/Pawlowski
Eindrücke vom 11. Forum Wissenschaftskommunikation vom 7. bis 9. November 2018 an der Universität Bonn
Fotografien, Diagramme, Wissensvideos, Vortragsfolien, Projektposter – Wissenschaftskommunikation (WissKo) erscheint in vielfältiger Weise. Abgesehen von rein auditiven Formaten haben all diese Medien etwas gemeinsam: Sie wirken durch verschiedenste visuelle Mittel. Dabei geht es darum, Aufmerksamkeit für das eigene Thema zu gewinnen, Sachverhalte darzustellen, Forschungsergebnisse zu präsentieren, Vergleiche anzustrengen und so weiter.
Auch auf dem 11. Forum Wissenschaftskommunikation (FWK18) blinkten, flirrten und
strahlten vielfältige visuelle Elemente in Keynotes, Workshops, World Cafés und Ausstellerbereichen
den Besucherinnen und Besuchern der Tagung entgegen. Dabei wurde klar: WissKo kommt ohne das „Vi“ für
Visualität kaum aus. Doch wann ist eine Visualisierung gelungen – und wann eher nicht?
Der
Besuch des FWK18 bot mit seinen Vorträgen, Workshop- und Diskussionsangeboten aus der
Museumspädagogik, dem Institut für Technologie Karlsruhe (KIT) und vielen weiteren Akteurinnen und
Akteuren jede Menge Möglichkeiten, diesen Fragen auf den Grund zu gehen.
Ohne Bilder geht es nicht
Bonn, Donnerstag, der 8. November von 13:00–14:30 Uhr
Bei der
World-Café-Diskussion des NaWik – dem Nationalen Institut für Wissenschaftskommunikation –
betrachteten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer in Tischgruppen das „Starterpaket für
Wissenschaftskommunikation“ – ein Druckstück, das die NaWik eigens zur Förderung von
Wissenschaftskommunikation entwickelt und publiziert hat. Auf mehreren Karten werden dort
stichpunktartig Hinweise, Dos and Don’ts, aber auch die Kontaktdaten von Ansprechpartnerinnen und
-partnern sowie andere Informationen an Forschende weitergegeben, die sich mit WissKo
auseinandersetzen möchten. Dabei versteht sich das Paket als eine Art Blanko-Set, das von
interessierten Kommunikatorinnen und Kommunikatoren, Instituten und Einrichtungen selbst erweitert
oder verändert werden kann. Dass WissKo auch Visualisierung braucht, wird dort beispielsweise auf
einer Karte über den „Nachrichtenwert“ auf den Punkt gebracht: „Der Nachrichtenwert bei
Wissenschaftsmeldungen beschränkt sich häufig auf diese vier Faktoren: Aktualität […],
Ungewöhnlichkeit […], Erfolg […], Betroffenheit […] und gute Bilder.“ Vor allem in digitalen Medien
gäbe es so gut wie keine Meldung mehr ohne Bild, heißt es dort weiter und wird ergänzt mit der
Empfehlung: „Denken Sie bei Ihrer Forschung also auch immer an Bilder“. Doch wann ist ein Bild
eigentlich „gut“? Oder weiter gefasst: Wann ist eine Visualisierung in der Wissenschaftskommunikation
gelungen und wann nicht?
GIF my Science … ?
Bonn, Freitag, der 9. November von 9:00–11:30 Uhr
Suchte man auf dem 11.
Forum Wissenschaftskommunikation nach Antworten auf diese Frage, so konnte man unter anderem beim
Workshop #GifYourScience fündig werden, der am Freitagmorgen im beschaulichen
Senatssaal der Universität Bonn stattfand.
Der Titel des Workshops impliziert bereits die
Bedeutung von visuellen Mitteln in der Wissenschaftskommunikation. Vor allem auf Social-Media-Kanälen
sind GIFs als Teaser-Mittel oder als verbildlichte Kommentare zu einem Tweet oder Eintrag sehr
verbreitet. Die beiden Vorträgerinnen betonten dabei die direkte Ansprache und die hohe visuelle
Variabilität, mit der GIFs eingesetzt werden können.
Die Workshopleiterinnen Rebecca Winkels
und Johanna Barnbeck empfahlen wärmstens, sich die Anziehungskraft und Vielseitigkeit von GIFs in der
eigenen Wissenschaftskommunikation zunutze zu machen. Ein gelungenes GIF könne hier ein solches sein,
das Unterhaltungswert und Wissensvermittlung, sogenannte „Content GIFs“, in sich vereine. Doch auch
solche, die neugierig auf einen weiterfolgenden Artikel machen – „Teaser GIFs“, die sozusagen
buchstäblich Clicks generieren – können ihren Zweck erfüllen und als „gutes“ visuelles Material
eingestuft werden.
Komplexe Physik als „Teilchenzoo“
Bonn, Freitag, der 9. November zwischen 11:00 bis 12:15 Uhr
In Bezug auf
gelungene Visualisierungsmethoden wurde das Ausstellungsgestalter-Team um Dr. Herbert Münder,
Geschäftsführer des Universum Bremen, noch konkreter: In seinem Vortrag „Wie können Zugänge zu
extrem komplexen Inhalten für Laien geschaffen werden?“, den er am selben Tag in einem der
großräumigen Hörsäle der Uni Bonn hielt, präsentierte er Arbeitsbeispiele aus der 2013 und 2014
gezeigten Erlebnisausstellung „Teilchenzoo“. Sie entstand in
Kooperation mit DESY, dem Deutschen Elektronen Synchrotron, in Hamburg.
Das Thema der Ausstellung war die Teilchenphysik – und um der breiten Öffentlichkeit einen Zugang zu diesem schwierigen Thema zu ermöglichen, nutzte man unter anderem eine besondere Methode der Visualisierung: In dieser Ausstellung wurden die für die Forschung so zentralen Elementarteilchen für die Besucherinnen und Besucher erfahrbar gemacht, indem man sie zu Comic-ähnlichen Figuren mit eigener Charakteristik visualisierte. Auf diese Weise wurden Wiedererkennungsmerkmale geschaffen und Emotionalität erzeugt, um auch völlig fachfremden Besucherinnen und Besuchern einen Zugang zu diesem speziellen Gebiet der Physik zu ermöglichen. Erst über diesen Umweg sahen sich die Ausstellerinnen und Aussteller sowie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in der Lage, ihre Forschungsarbeit zu transportieren.
Dieses Beispiel aus der Museumspädagogik verdeutlicht die Wichtigkeit und Funktion von Visualisierungen in der Wissenschaftskommunikation sehr anschaulich. Die Wahl der visuellen Sprache wurde hier in Abhängigkeit der gewünschten Zielgruppe – wie Familien mit Kindern – getroffen und als erzählerische Brücke zum Thema eingesetzt.
„Hochglanz“ versus Powerpoint?
Doch nicht nur die passende visuelle Sprache stellt eine anspruchsvolle Aufgabe in der WissKo dar. Auch Blickführung, Komposition und Layout können ausschlaggebend für gelungene Vortragsfolien, Wissensvideos oder GIFs sein, wenn es beispielsweise um die Erfassung und Einprägsamkeit der Inhalte geht.
Bonn, Mittwoch, der 7. November, etwa 16:45 bis 17:00 Uhr
Während der
„Live-Rezeptionsforschung an Wissenschaftsvideos“ konnten die Teilnehmerinnen und
Teilnehmer des Workshops „Mit den Augen der Zuschauenden“ hautnah miterleben, wie
gezielte visuelle Elemente die Aufmerksamkeit und Einprägsamkeit von Fachwissen beeinflussen können.
Philipp Niemann, Philipp Schrögel und Laura Bittner vom Institut für Technologie Karlsruhe (KIT) präsentierten dabei verschiedene Ansätze, wie sie in ihrer Forschungsgruppe die Wirksamkeit von Wissensvideos und animierten Vortragsfolien zu erfassen versuchten. Mithilfe von Eyetracking verglichen sie in ihrer letzten Forschungsarbeit beispielsweise die Häufigkeit und Dauer des Blick-Fokus von Videobetrachterinnen und -betrachtern. Die sogenannten „areas of interest“ (AOIs), die sie dabei ermittelten, zeigten, wo die Blicke der Zuschauer zu welchen Zeitpunkten besonders häufig haften blieben. Eine Häufung solcher Blickfokussierungen richteten sich beispielsweise auf das Gesicht eines gefilmten Vortragenden oder Sprechers in den Videos, wenn sich andere Elemente im Bild nicht wesentlich bewegten. Eine andere häufige Beobachtung, so die Vortragende Laura Bittner, zeigte, dass animierte Elemente, die den gesprochenen Inhalt visualisierend begleiteten – z. B. in Form eines Teilchens, das sich innerhalb eines Schaubildes passend bewegte –, den Blick der Betrachtenden signifikant einfangen konnten.
Mithilfe von sogenanntem Concept Mapping ging die Forschungsgruppe des KIT in ihrer Arbeit außerdem der Wirksamkeit der Wissensvideos und -animationen auf den Grund. Welche Videos konnten das Wissen (zum Beispiel aus der Physik) so vermitteln, dass den Betrachterinnen und Betrachtern besonders viel davon im Gedächtnis blieb? Ein sehr erfreuliches Ergebnis war, dass eine reduzierte und weniger aufwendige Powerpoint-Animation teils nachhaltiger in der Wissensvermittlung zu wirken schien als eine beeindruckende Aufnahme eines technischen Gerätes mit eingearbeiteten Grafikelementen zum selben Thema. Gelungene Wissenschaftskommunikation geht also auch mit Powerpoint!
Vom Lenken und Ablenken – wohin das Auge wandert
Bonn, Mittwoch, der 7. November, etwa 16:00 bis 16:45 Uhr
Untermauert wurde
diese überraschende Erkenntnis auch während der angekündigten
Live-Rezeptionsforschung dieses Workshops: Ausgewählte Teilnehmerinnen und Teilnehmer
sahen sich vorab Wissensvideos an, die zuvor als Versuchsmaterial vorgeschlagen wurden. Ihre Blicke
wurden dabei via Eyetracking festgehalten. Im Anschluss wurde das Video in der gesamten Gruppe einmal
mit und einmal ohne die eingeblendete Eyetrack-Messung gezeigt. Das Ergebnis: Das Auge der
Betrachterin oder des Betrachters blieb dabei an signifikanten „areas of interests“ haften –
beispielsweise auf dem Gesicht eines Vorträgers oder eines interviewten Wissenschaftlers in einem
Video. Aber auch an sich gerade aufbauenden Strichzeichnungen in einer Grafikanimation. Nicht selten
aber wanderten die Augen auch umher, und zwar besonders häufig dann, wenn ein Bild zu wenig
Anhaltspunkt für eine zielgerichtete Fokussierung anbot − beispielsweise bei der Aufnahme eines Labors
mit vielen verschiedenen Geräten und Utensilien.
Betrachtende, die Laien in dem vorgestellten Fach sind, haben es dabei besonders schwer, die „richtige“ Stelle auf dem Bild zu finden, auf die es den Erzählerinnen und Erzählern in den Videos ankommt. Schon eine Kartusche für Reagenzgläser, die für den Fachinhalt des Wissensvideos gerade wenig relevant ist, kann den Betrachtenden ablenken – schlicht, weil sie in einer knalligen Farbe andere Bildelemente überstrahlt. Und das selbst dann, wenn diese unscharf und nur am Bildrand einer Aufnahme auftauchen. Eine Betrachterin erzählte während des Workshops beispielsweise, dass sie von der Fensterspiegelung auf der Laborbrille eines Wissenschaftlers deutlich abgelenkt war und so die Fokussierung auf ein anderes Element – etwa das kleine Reagenzglas in den Händen eben dieses Wissenschaftlers – verloren hatte. Andere Videos und Animationen punkteten wiederum deutlich besser bei der Blickführung der Betrachter, indem solche visuellen Störelemente dort von Anfang an bewusst reduziert wurden. Diese Herangehensweise erfordert jedoch ein Grundwissen über Blickfang-Elemente wie Farbe und Bewegung, Clustering in Layouts und andere Grundlagen visueller Kommunikation.
Fazit
Wieder zurück in Hamburg, ist klar: Es muss nicht immer eine kostspielige technische Ausstattung sein, um Wissenschaft visuell überzeugend zu kommunizieren! Schon der bewusste, geschulte Einsatz von Keynote-Folien kann erheblich zur nachhaltigen, unterhaltsamen, aber vor allem verständlichen Wissenschaftskommunikation beitragen. Selbst sehr komplexes, als besonders schwer vermittelbar geltendes Fachwissen kann mithilfe von Visualisierungen verständlich gemacht werden – auch für ein generationenübergreifendes Laienpublikum. Eine erhebliche Steigerung von Wirksamkeit erfährt visuelle Wissenschaftskommunikation vor allem dann, wenn sie den Blick des Betrachtenden auf das Wesentliche lenken kann und ablenkende visuelle Störeffekte zu vermeiden versteht.
Referate, Projektposter, Berichte und Kurzvorträge: Studierende, die Forschenden der Zukunft, werden in ihrem Alltag bereits früh mit typischen Situationen von Wissenschaftskommunikation konfrontiert und müssen die Herausforderung meistern, visuelles Material erfolgreich einzubringen. Ein Leitfaden- und Kursangebot zu visuellen Methoden und zur Transferarbeit für Forschungsarbeiten, wie sie gerade vom Regionalen Rechenzentrum und dem Universitätskolleg entwickelt werden, können Studierenden und Nachwuchsforschern dabei wesentliche Unterstützung bieten.
Der Besuch des 11. Forums Wissenschaftskommunikation stimmt zuversichtlich, dass die Entwicklung von erfolgreichen Fortbildungsformaten zu ViWissKo voranschreitet.
Das vollständige Programm des 11. Forums Wissenschaftskommunikation sowie eine ausführliche Dokumentation finden Sie hier.